Kirchliche Seelsorge und Psychoanalyse

Ein Diskussionsbeitrag der Psychoanalytikerin Dr. Barbara Leuner

Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI Palazzo Apostolico Vaticano

Zum Thema der emotionalen Intelligenz
in den Werken Joseph Ratzingers, Papst Benedikt XVI

 

Die Psychoanalyse -und nicht die christliche Kirche- hat die Sorge um die Seele des Menschen heute weltweit zu ihrer Sache gemacht. Die Seelsorge scheint aus den Kirchen dorthin abgewandert zu sein. Ein zentraler Punkt dieses Geschehens ist - ich zitiere Albert Görres - "daß nie zuvor der einzelne Mensch mit solcher Sorgfalt studiert wurde. Kein Arzt, kein Psychologe, kaum ein Seelsorger vor Sigmund Freud hat Hunderte von Stunden an das Studium eines einzelnen Menschen verwandt." Dem hat heute die Praxis kirchlicher Seelsorge nichts Gleichrangiges entgegenzusetzen. Und das hat zur Folge, daß diejenigen, die Priester werden wollten, heute Psychoanalytiker werden; und wenn ein Mensch heute in seelische Not gerät, wendet er sich an diese. Wie konnte es im Bereich der Seelsorge zur Vormachtstellung der Psychoanalyse den christlichen Kirchen gegenüber kommen? Nehmen wir zwei Schlüsselfiguren dieses Geschehens, S.Freud und J.Ratzinger, Papst Benedikt XVI, so zeichnen sich beide sowohl durch hohe rationale Intelligenz, wie ebenso hohe emotionale Intelligenz aus. S.Freud bekam den Goethe Preis für seine emotionalen Qualitäten, J.Ratzinger zeigt sie in seinen Schriften. S.Freud und J.Ratzinger unterscheiden sich darin, daß S.Freud sich den emotionalen Prozessen des Profanen widmet und J.Ratzinger denen des Heiligen. Traditionell spielt im Christentum das Heilige, das Sakrale, die zentrale Rolle. Heute ist es das am höchsten gefährdete, das am deutlichsten von Verlusten emotionaler Qualitäten gezeichnete geistige Gut des Christentums. Hier setzt der ehemalige Hochschullehrer für Philosophie und Theologie, J.Ratzinger der heutige Papst Benedikt XVI an, hier ist sein Forschungs-und Handlungsbereich. Denn gerade das Christentum mit seinem Gott der Liebe, mit Vater und Sohn und deren Fülle an emotionaler Klugheit, Weisheit und Vielfalt, bietet diese Möglichkeit zu emotionalen Lern- und Reifungsprozessen, deren der heutige Mensch so dringend bedarf. Diese Sicht der Dinge stelle ich hier als Psychoanalytikerin zur Diskussion. Möge sie den neuen Papst Benedikt XVI nicht unberührt lassen.

Göttingen, 28. 40. 2006

Dr. med. Barbara Leuner
Psychoanalytikerin
www.barbara-leuner.de

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